Montag, Juni 22, 2009

Future Of The Left - Travels With Myself And Another


Rockmusik! „Mit einem Erdbeben anfangen und sich dann langsam steigern.“ So stellte sich Stern-Gründer Henri Nannen eine gute Reportage vor. Und Filmproduzent Samuel Goldwyn gab diesen Ratschlag den Drehbuchautoren, die für ihn arbeiteten. Future Of The Left haben sich den Satz wohl in Riesenlettern an die Wände ihres Proberaumes in Cardiff getackert. Denn Arming Eritrea ist nichts anderes als das besagte Erdbeben und der Einstieg zu einer der ganz großen Platten dieses Jahres.

Andrew Falkous und seine beiden Mitstreiter treiben sich ja sowieso schon in etwas abseitigeren Gefilden herum. Vor den Ärzten aus Berlin (aus Berlin!) als Co-Headliner auf dem Hurricane Festival spielen werden sie nie in ihrem Leben, ihre Plattenfirma wird ihnen niemals Zeit und Geld geben, um bis zur nächsten Platte vierzehn Jahre ins Land streichen zu lassen. Und hippe Indie-Girlies werden niemals mit T-Shirts herumlaufen, die mit „Mark Foley was right!“ oder „it only happened coz i couldn’t drink more“ bedruckt sind.

So bleibt die kleine Nische, in der sich die Band glücklich im eigenen Sound suhlt: Noise, aber nicht wie Neurosis; mit Synthies, aber nicht New Wave; Indie, aber nicht Mando Diao; direkt, aber nicht Punkrock. Travels With Myself And Another bricht aus dem sowieso schon nicht allzu engen Korsett des Noiserock mehrfach aus und verteilt seine Dissonanzen und atonalen Melodien in jedem Genre, das nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Nachdem Arming Eritrea sich bei gefühlten 9,3 Punkten auf der Richterskala und nach einem überbordenden Finale selbst zerlegt hat, geht es zunächst eher konventionell weiter. Chin Music könnte auch Wrigley Scott, Part II heißen, so sehr erinnert der Song ans erste Album Curses! und so gradlinig rennt er über die Ziellinie. Die Single The Hope That House Built schlägt dann aber die ersten Haken und bringt die Hörgewohnheiten ein wenig ins Straucheln. Stakkato-Drums, drückender Bass und Falkous’ atonales Gitarrenspiel setzen sich sofort im Gehörgang fest, trotz gemäßigter Geschwindigkeit. Der Song lebt von seiner Dynamik und dem mehrstimmigen Gesang, nicht vom puren Krach. Der Sound ist trotzdem charakteristisch wie schon auf Curses! Future Of The Left sind eine der Bands, die man schon nach den ersten Noten erkennt.

Und trotzdem bleibt Travels… immer variantenreich genug, um nicht langweilig zu werden. Auf das manische, fast schon wahnhaft stampfende You Need Satan More Than He Needs You folgt mit That Damned Fly ein Stück, aus dem andere Bands den ganz großen Stadionrocker gemacht hätten. Der Rausschmeißer Lapsed Catholics beginnt akustisch und mit gesprochenem Vortrag, bevor er sich in einen Tsunami aus Oktavgriffen verwandelt. Yin / Post-Yin spricht gar das Tanzbein an und Drink Nike ist kurz vor Schluss noch mal so ein richtig fieser Ohren-zum-Bluten-Bringer.

Highlights sind unter den duchweg sehr guten Songs also schwer festzumachen. Neben dem eingangs erwähnten Arming Eritrea sind das vielleicht der instrumental aufs Minimum reduzierte Synthie-Rocker Throwing Bricks At Trains und das sowohl textlich als auch musikalisch vollkommen durchgeknallte Stand By Your Manatee: „only the good die young / except for when they don’t / it’s not exactly fair“.

Travels With Myself And Another knallt von vorne bis hinten, ist eines der eigenständigsten und das vielleicht beste Rockalbum der ersten Jahreshälfte. 9/10

Anspieltipps: Arming Eritrea, Throwing Bricks At Trains, Stand By Your Manatee

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