Donnerstag, Juli 16, 2009

The Mars Volta - Octahedron


Möchtegern-Akustik-Album. Viele waren enttäuscht, als The Mars Volta Amputechture veröffentlichten. War Frances The Mute noch perfekt ausgeklügelter Progrock, war die Band hier plötzlich kaum noch hörbar, einfach über das Ziel hinausgeschossen. Viele waren enttäuscht, als The Mars Volta The Bedlam In Goliath veröffentlichten. War Amputechture immerhin noch richtiger Prog, war die Band plötzlich kaum noch auszuhalten, so breitbeinig rockend gab sie sie sich. Bäh, Mainstream.

Viele werden enttäuscht sein, jetzt, da The Mars Volta Octahedron veröffentlicht haben. War The Bedlam In Goliath wenigstens noch Rockmusik, gibt es hier fast nur Geschwurbel und atmosphärisches Gedröhne zu hören. Es kam ja mit Ankündigung, das Akustikalbum von The Mars Volta. Cedric B. und Omar R. (Namen von der Redaktion gekürzt) versprachen ihre Version von akustischer Musik.

Wenn es denn wenigstens das geworden wäre. Aber statt akustischen Gitarren, chinesischen Glockenspielen, Klanghölzern, Xylophonen, Santuri und was nicht sonst alles vorstellbar gewesen wäre im Klangkosmos von The Mars Volta, gibt es flächiges Effektgeprotze, viele quietschende und verzerrte Gitarren sowie ewige Pausen zwischen den Songs, die die Spannungskurve auf dem Boden festnageln.

Klar, dahinter stecken richtig gute Songs mit beeindruckenden Gesangslinien, eindringlichen Melodien und ausgereifter Komposition. In Halo Of Nimbutals und Desperate Graves scheint eine ganze Zeit lang durch, was daraus hätte werden können, wenn die Band sich das Stichwort „akustisch“ nicht in den Kopf gesetzt hätte. With Twilight As My Guide und Copernicus hört man an, dass die Band sich dieses Stichwort einfach nicht in den Kopf hätte setzen sollen.

Cotopaxi schließlich beweist, dass Cedric und Omar ihre eigenen Ansprüche auch gerne mal einfach ignorieren. Plötzlich spielt da eine Rockband, präzise, mit viel Energie, kompakt und messerscharf. The Mars Volta beweisen – und das werden sie selbst gar nicht hören –, dass sie im Radioformat auf dreieinhalb Minuten richtig gute Songs schreiben können. Aber dazu braucht es derzeit wohl noch eine Wagenladung Gewaber drum herum. 5/10

Anspieltipps: Cotopaxi, Desperate Graves

Mittwoch, Juli 15, 2009

Clutch - Strange Cousins From The West


Die Gitarre hat den Blues. Clutch haftet der Ruf an, musikalisch auf der Stelle zu treten. Kennt man ein Album, kennt man alle. Eine neue Clutch-Platte ist also immer was für Fans. Wer die Band vorher nicht mochte, wird sie auch auf Strange Cousins From The West nicht mögen. Wer den Backkatalog im Regal stehen hat, kann getrost zugreifen. Status-Quo-Rock. So einfach ist das. Oder?

Ein bisschen simpel ist die Argumentation schon. Sie rührt wahrscheinlich daher, dass Clutch sich in Genres bewegen, die als wenig innovationsfreudig, ja sogar sehr konservativ gelten. Stoner Rock, Blues, Hardrock. Da spielen halt alle immer die gleichen durchgenudelten Riffs. Nur den Hörer nicht verschrecken. Wer sich mal eine Weile Zeit nimmt und durch die gesammelten Werke von Clutch hört, merkt aber recht schnell. Die Band hat ihren Fans in den vergangenen Jahren einiges zugemutet. Angefangen mit reichlich atonalem Hardcore, ging durch die Stoner-Phase hin zu opulentem Geriffe inklusive Akustikgitarren, Keyboards und Mundharmonika. Bereits auf dem Vorgänger From Beale Street To Oblivion deutete sich aber eine Reduzierung des Sounds an. Zurück zu Schlagzeug, Bass, Gitarre, weg mit dem Schnickschnack, her mit dem Blues.

Und so ist Strange Cousins From The West ein Album geworden, auf dem jedes Instrument seine Glanzmomente hat. Ein Album voller sperriger Brocken wie Abraham Lincoln, bluesiger Erzählstücke wie Motherless Child und zurückgelehnter Riffrocker wie The Amazing Kreskin.

Auf Spielkram wird verzichtet, ja die meisten Songs leben sogar mit einer Gitarrenspur. Aus Tim Sult plätschern die Riffs, Licks, Melodien und Soli nur so heraus. Technisch ist das durchgehend beeindruckend, vor allem im Zusammenspiel mit Bassist Dan Maines und Drummer Jean-Paul Gaster, der nicht zu Unrecht als einer der exaktesten und besten seiner Zunft gilt. Da sitzt jeder Fill, jeder Akzent. Die seltsamen Cousins befinden sich ständig in Bewegung, rollen unaufhaltsam vorwärts gen Osten.

Nur leider rollen sie meist recht langsam. Es fehlt ein wenig an Dynamik. Jedem Instrument, jedem Songteil wird so viel Platz gegeben, sich zu entfalten, dass der eine oder andere Song ein etwas repetitiv klingt. So ein Beispiel ist Let A Poor Man Be. An den Variationen des Riffs kann man sich als Musiker freuen, ebenso wie über das herrlich ausformulierte Solo inklusive kongenialer Schlagzeugbegleitung. Dem Musikhörer wird es aber schnell langweilig.

Oder Abraham Lincoln, nach dem ersten Hördurchgang eine Marschmusik ohne Spannungsbogen. Man muss sich zwingen, genauer hinzuhören, bis die hypnotische Manie des Songs langsam aus dem Lautsprecher sickert und man jedes Wort von Neil Fallons Predigt mit einem Kopfnicken goutiert.

Es ist natürlich auch zugänglicheres Material dabei. Minotaur klingt wie von Robot Hive / Exodus übrig geblieben, 50,000 Unstoppable Watts ist ein klassischer Nach-vorne-Rocker, das spanische Algo Ha Cambiado könnte wiederum auch auf Blast Tyrant erschienen sein.

So ergeben sich Anknüpfungspunkte an die früheren Werke, während die wiederentdeckte Reduziertheit der Band den Hörer zwingt, sich mit jedem Instrument genauer auseinanderzusetzen und bitteschön gut zuzuhören. 8/10

Anspieltipps: 50,000 Unstoppable Watts, Abraham Lincoln, Sleestak Lightning

Dienstag, Juni 23, 2009

Dinosaur Jr. - Farm


Solo für Gitarre. Nach ziemlich genau einer Stunde ist das einzige, an das man sich erinnern kann, ein Gitarrensolo. Massiv stünde es im Raum, wenn so ein Solo denn stehen könnte. 60 Meter wäre es hoch, wenn es denn eine Größe hätte. Hat es aber nicht, nur eine Länge – die scheint bei etwa 60 Minuten zu liegen – und einen Namen: Farm.

J Mascis’ Gitarrenspiel ist – wie eh und je – so dominant, dass beim ersten Hördurchgang kaum ein anderer Aspekt auf Farm die Möglichkeit hat, aufzufallen. Aber Geduld hat sich bei dem Schrammel-Dreier aus Massachussetts schon immer gelohnt. Überhaupt ist es erstaunlich, wie wenig sich bei Dinosaur Jr. geändert hat, 20 Jahre nach ihrer De-facto-Trennung und vier Jahre nach einer erfreulich unspektakulären Reunion.

Beyond, das Comeback-Album, war der Beweis, dass sie es immer noch können, dass sie immer noch verdammt gut sind und dass gute Rockmusik zeitlos ist. Und so wehren sich die drei Dinosaurier auch auf Farm erfolgreich gegen jegliche Form der Evolution und moderne Spielereien.

Farm hat alles, was so ein Dinosaur-Jr.-Album braucht: tieftraurige und naiv-optimistische Melodien, Mascis flehenden Gesang, ellenlange Gitarrensoli, Murph und Lou Barlow. „Unspektakulär“ – das ist kein schönes Wort, beschreibt die Platte aber ganz wunderbar. So unaufgeregt, lässig und melodiesicher kann wohl nur eine Band mit viel Erfahrung sein.

Hat man sich erstmal wieder reingehört in die 80er, gibt es viel zu entdecken. Die sommerliche Single Over It beispielsweise, das abgehangene und sehr dynamische Plans oder der Rock’n’Roller Friends, der selbst dem notorisch bewegungsfaulen J Mascis beim Spielen doch ein leichtes Kopfnicken abringen dürfte. Bassist Barlow steuerte auch wieder zwei Songs bei, die dem typischen Dinosaur-Jr.-Sound ein wenig Abwechslung beibringen.

Drei Stücke überschreiten die sechs Minuten locker, einer davon ist gar nahezu neun Minuten lang: I Don’t Wanna Go There wartet mit Vier-Minuten-Solo, abwechslungsreichen Riffs und krachigem Lautstärkepegel auf. Der Song wäre bei Guitar Hero wahrscheinlich eine einzige Farbenflut und zeigt die Band in Höchstform. 8/10

Anspieltipps: Pieces, Over It, I Don’t Wanna Go There

Montag, Juni 22, 2009

Future Of The Left - Travels With Myself And Another


Rockmusik! „Mit einem Erdbeben anfangen und sich dann langsam steigern.“ So stellte sich Stern-Gründer Henri Nannen eine gute Reportage vor. Und Filmproduzent Samuel Goldwyn gab diesen Ratschlag den Drehbuchautoren, die für ihn arbeiteten. Future Of The Left haben sich den Satz wohl in Riesenlettern an die Wände ihres Proberaumes in Cardiff getackert. Denn Arming Eritrea ist nichts anderes als das besagte Erdbeben und der Einstieg zu einer der ganz großen Platten dieses Jahres.

Andrew Falkous und seine beiden Mitstreiter treiben sich ja sowieso schon in etwas abseitigeren Gefilden herum. Vor den Ärzten aus Berlin (aus Berlin!) als Co-Headliner auf dem Hurricane Festival spielen werden sie nie in ihrem Leben, ihre Plattenfirma wird ihnen niemals Zeit und Geld geben, um bis zur nächsten Platte vierzehn Jahre ins Land streichen zu lassen. Und hippe Indie-Girlies werden niemals mit T-Shirts herumlaufen, die mit „Mark Foley was right!“ oder „it only happened coz i couldn’t drink more“ bedruckt sind.

So bleibt die kleine Nische, in der sich die Band glücklich im eigenen Sound suhlt: Noise, aber nicht wie Neurosis; mit Synthies, aber nicht New Wave; Indie, aber nicht Mando Diao; direkt, aber nicht Punkrock. Travels With Myself And Another bricht aus dem sowieso schon nicht allzu engen Korsett des Noiserock mehrfach aus und verteilt seine Dissonanzen und atonalen Melodien in jedem Genre, das nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Nachdem Arming Eritrea sich bei gefühlten 9,3 Punkten auf der Richterskala und nach einem überbordenden Finale selbst zerlegt hat, geht es zunächst eher konventionell weiter. Chin Music könnte auch Wrigley Scott, Part II heißen, so sehr erinnert der Song ans erste Album Curses! und so gradlinig rennt er über die Ziellinie. Die Single The Hope That House Built schlägt dann aber die ersten Haken und bringt die Hörgewohnheiten ein wenig ins Straucheln. Stakkato-Drums, drückender Bass und Falkous’ atonales Gitarrenspiel setzen sich sofort im Gehörgang fest, trotz gemäßigter Geschwindigkeit. Der Song lebt von seiner Dynamik und dem mehrstimmigen Gesang, nicht vom puren Krach. Der Sound ist trotzdem charakteristisch wie schon auf Curses! Future Of The Left sind eine der Bands, die man schon nach den ersten Noten erkennt.

Und trotzdem bleibt Travels… immer variantenreich genug, um nicht langweilig zu werden. Auf das manische, fast schon wahnhaft stampfende You Need Satan More Than He Needs You folgt mit That Damned Fly ein Stück, aus dem andere Bands den ganz großen Stadionrocker gemacht hätten. Der Rausschmeißer Lapsed Catholics beginnt akustisch und mit gesprochenem Vortrag, bevor er sich in einen Tsunami aus Oktavgriffen verwandelt. Yin / Post-Yin spricht gar das Tanzbein an und Drink Nike ist kurz vor Schluss noch mal so ein richtig fieser Ohren-zum-Bluten-Bringer.

Highlights sind unter den duchweg sehr guten Songs also schwer festzumachen. Neben dem eingangs erwähnten Arming Eritrea sind das vielleicht der instrumental aufs Minimum reduzierte Synthie-Rocker Throwing Bricks At Trains und das sowohl textlich als auch musikalisch vollkommen durchgeknallte Stand By Your Manatee: „only the good die young / except for when they don’t / it’s not exactly fair“.

Travels With Myself And Another knallt von vorne bis hinten, ist eines der eigenständigsten und das vielleicht beste Rockalbum der ersten Jahreshälfte. 9/10

Anspieltipps: Arming Eritrea, Throwing Bricks At Trains, Stand By Your Manatee

Freitag, Juni 19, 2009

Celan - Halo


Krach oder Kunst. Welche Gründe gibt es, eine neue Band zu gründen? Einige plausible, die mir spontan in den Sinn kommen: Der Schlagzeuger in der alten Band ist ein Arsch (mclusky); der Gitarrist fühlt sich nicht ausgelastet (Omar Rodriguez-Lopez); der Sänger möchte mal was Neues ausprobieren (Chris Cornell). Welchen Sinn aber hat es, wenn die neue Band genauso klingt wie die alte, die nicht mal aufgelöst worden ist?

So ungefähr ist es nämlich bei Celan. Halo könnte über weite Strecken auch ein neues und durchaus gutes Unsane-Album sein. Sänger Chris Spencer schnetzelt sich mit bekannter Zähigkeit durch die blutigen Brocken, die irgendwann mal Songs waren, bevor sie gleichzeitig einen Autounfall, einen Flugzeugabsturz und einen Zusammenprall mit einem Güterzug hatten. Das ist 24-karätiger Noiserock, der in Sachen Härte gegen jede Grindcore- oder Death-Metal-Band locker anstinken kann.

Als Hörer wundert man sich daher zu Beginn nur kurz, wenn man im Hintergrund von All This And Everything ein Keyboard zu hören glaubt. Viel zu schön schiebt sich jedes einzelne Instrument und selbstredend auch Spencers Stimme durch den Verzerrer. Bis zur Hälfte der Platte lassen die Songs sich schlichtweg kaum von Unsane unterscheiden. Und dann folgt Washing Machine. Kein Song, sondern über vier Minuten sinnfreies Ambient-Gedudel. Spätestens jetzt ist man sich sicher: Irgendwer wurschtelt doch diese ganze unnötige Soundkulisse in den Hintergrund der Songs: Keyboards, Samples, Gequietsche. Und da ist tatsächlich jemand: Ari Benjamin Meyers von den Einstürzenden Neubauten. Na toll!

Der Schaden hält sich aber in Grenzen. Auf den ersten sechs Songs hört man ihn kaum und das, was auf Washing Machine folgt, ist immer noch zu 90 Prozent Unsane und zu 10 Prozent eigentlich ganz innovativ. Nach einigen Durchgängen freut man sich glatt, die verkrusteten Strukturen mal etwas aufgebrochen zu sehen.

Halo ist auf jeden Fall eine Platte, die eine Entwicklung durchmacht. In 50 Minuten Spielzeit bewegt sich die Musik vom brachialen Noiserock zum krachigen Artrock. Das ist keine weite Strecke, aber mehr als die meisten Bands auf einem Album hinbekommen. Kulminieren muss das Kunst-Werk konsequenterweise in dem überlangen Schlusstrack Lunchbox, der leider mit einem abermals sinn- und spannungsfreien sechsminütigen Intro beginnt und dann auch nur wenig besser wird. Etwa eine Viertelstunde dieser Platte ist somit überflüssig, die anderen 35 Minuten von Halo aber mehr als okay. 7/10

Anspieltipps: All This And Everything, Weigh Tag, It’s Low

Donnerstag, Juni 18, 2009

Anti-Flag - The People Or The Gun


punkrock. Großes war ja sowieso nicht mehr zu erwarten von Anti-Flag. Eine Band, die zwar immer mal den einen oder anderen Gassenhauer dabei hatte, der es aber auch zu jeder Zeit an einem Alleinstellungsmerkmal mangelte.

Politisch waren andere vor ihnen und werden noch viele nach ihnen sein. Und musikalisch gibt es seit Jahren halt den einen Anti-Flag-Song, immer wieder ähnlich, nur selten einprägsam. Das ist Nullachtfünfzehn-Punkrock, wie ihn sogar Pennywise noch abwechslungsreicher hinbekommen. Eins muss man den Mannen um Justin Sane aber zugute halten: Geändert hat sich an ihrer Musik auch in den vergangenen Jahren beim Major-Label nichts. So fällt es auch kaum auf, dass sie jetzt wieder kleinere Brötchen backen.

Und manchmal funktioniert der Anti-Flag-Song ja auch. Man erinnere sich an den Titeltrack von Underground Network oder die grandiose B-Seite Seattle Was A Riot. Auf The People Or The Gun traut er sich aber einfach nichts zu, der Anti-Flag-Song. Bei This Is The First Night kommt die Mitsingstimmung nur auf, weil irgendwann eine Geräuschkulisse wie im Pub eingespielt wird. Der Ein-Minüter You Are Fired (Take This Job, Ah, Fuck It) klingt nicht nur dem Titel nach sehr gezwungen nach Propagandhi. Und auch ansonsten hetzen sie sich uninspiriert auf den immer gleichen Pfaden, Akkorden, Rhythmen und tiefroten lyrischen Ergüssen durch die Songs, die sich ständig zu wiederholen scheinen. Das ist nicht einmal so richtig schlecht, aber im schlimmsten Sinn egal.

Wer dem Punkrock Engstirnigkeit und Variationsarmut vorwirft, hat eigentlich selbst Schuld. Aber hier fällt es unangenehm auf. Die Bausteine sind fast greifbar, man kann sich seine eigenen Anti-Flag-Songs neu zusammensetzen. Den Knüppelbeat und die abgedämpfte Strophe aus The Old Guard, dazu der treibende Refrain mit den Pentatoniken aus Sodom, Gomorrah, Washington D.C. (Sheep In Shepherds Clothing) oder die offenen Akkorde am Anfang von The Gre(a)t Depression und dazu die in We Are The One geradezu überdominanten Whoas. Nein, es fehlt einfach das gewisse etwas: die Ironie von NOFX, das stupende Lehrerwissen von Bad Religions Greg Graffin, das Händchen für die großen Melodien, wie Green Day es haben, die technische Brillanz von Propagandhi, die schludrige Straßenattitüde von Rancid. Die Liste ließe sich fortsetzen. 4/10

Anpieltipps: Gomorrah, Washington D.C. (Sheep In Shepherds Clothing), The Economy Is Suffering... Let It Die, The Old Guard

Mittwoch, Juni 10, 2009

Gehörte Geschichte: Rancid

The Crowd, the Pit and the Rancid

Eigentlich begann es schon ein paar Jahre vor dem ersten Rancid-Album. Ein paar Jungs namens Operation Ivy hatte etwa 1987 mit ihrem rauen, Ska-infizierten Punkrock beachtlichen Erfolg. Zuviel für die jungen Musiker, denn nach ungefähr zwei Jahren, einem Album und einer Handvoll weiterer Songs war 1989 schon wieder Schluss. Geblieben sind Klassiker wie The Crowd oder Knowledge und glücklicherweise auch Gitarrist Tim Armstrong und Bassist Matt Freeman, die zusammen mit Schlagzeuger Brett Reed nach kurzer Auszeit Rancid gründeten. 1993 tauchte das erste, schlicht Rancid betitelte Album auf.

Rancid (1993)

Das war ein knappes Jahr vor dem großen Punk-Revival, das Epitaph Records reich, The Offspring weltberühmt machen und Green Day in die BRAVO bringen sollte. Bemerkenswert ist, dass Matt Freeman hier in fast jedem Song die Sau rauslässt. In Sachen Bassspiel können sich viele Songs heute noch sehen lassen: Rats In The Hallway, Rejected, The Bottle. Die Liste ließe sich fortsetzen. Was Freeman hier angesichts der konstant hohen Geschwindigkeit an Soli und Groove abspult, hält schlicht die ganze Platte zusammen. Die meisten typischen Rancid-Merkmale finden sich hier schon wieder: Tim Armstrongs Genöle, Mitgröhlrefrains (Another Night), rasende Gitarren, die Liebe zu lauten und schnellen oder schnellen und lauten Songs. Nur Lars Frederiksen fehlt noch.

Let’s Go (1994)

Denn der stieß erst nach den Aufnahmen zum ersten Album zur Band. Dafür durfte er auf Let’s Go gleich im ersten Song ans Mikro. Insgesamt übertreibt die Band es hier ein wenig. 23 Songs sind viel Stoff, da ist auch ein wenig Füllmaterial dabei. Einige Hits stechen trotzdem aus der Masse hervor: Radio und Tenderloin sind gute Beispiele dafür, dass Rancid ein Stück Chaos und Krach hinter sich gelassen haben. Nicht unbedingt weniger Punk, aber mehr Rock.

Und den Einfall, ein so wunderbar naives Gitarrensolo wie in Radio neben den abermals alle Register ziehenden Matt Freeman zu stellen, muss man erstmal haben. Abermals überschreitet keiner der Songs die 3-Minuten-Marke. Kurze Songs bleiben auch auf den folgenden Alben eine Stärke der Band und verhindern vielleicht, dass ihre Platten angesichts der Menge an Songs überfüllt wirken. Gerade wenn ein paar 1:30-Brecher hintereinander kommen, nimmt Let’s Go so richtig Fahrt auf.

Den ganz großen Durchbruch hatten in diesem Jahr andere Bands. Dafür ist Let’s Go vielleicht auch zu kompromisslos. Ins Radio passt nicht mal die gleichnamige Single. Tempo rausnehmen ist hier (noch) nicht drin.

…And Out Come The Wolves (1995)

Noch ein Jahr später hatte sich die Welt bereits damit abgefunden, dass der Punkrock ein zweites Mal da war. Radios und Hörer öffneten sich auch für das etwas härtere Zeug und Rancid öffneten sich für das Radio. Zum ersten Mal ist es angebracht, das Wort Pop für einen Rancid-Song zu verwenden. Wo sonst gehört Time Bomb hin, wenn nicht auf die Tanzfläche? Und auch Ruby Soho, Lock, Step & Gone und Avenues & Alleyways lassen die Sonne in die ranzige Bude scheinen.

Wie zum Beweis, dass die Band aber keinesfalls allzu frühzeitig altersmilde geworden ist, bläst …Wolves dem Hörer erstmal Maxwell Murder ins Gesicht, der Bastard eines Punkrockers, inklusive dem Basssolo bis dahin. Apropos Bass: Wie viel Rock’n’Roll in Rancid steckt, zeigt fast schon idealtypisch Olympia WA.: Walking Bass, Leadmelodie auf der Gitarre und klassisches Rockriff. Bei Listed M.I.A. gibt’s sogar Handclaps. Mehr Kopfnicken geht kaum. Noch ein Schritt weiter, und die Punkpolizei hätte den Ausverkauf proklamiert. Etwas anderes musste her.

Life Won’t Wait (1998)

Also begannen die Wanderjahre: Erst drei Alben in drei Jahren und dann drei Jahre bis zum nächsten. Die ehemaligen Labelkollegen The Offspring waren mit Pretty Fly mittlerweile voll im Mainstream angekommen, Green Day in irgendeiner Versenkung verschwunden und selbst die Punk-Credibility-Band schlechthin, Bad Religion, versauerte auf einem Major-Label. Und Rancid? Tim Armstrong und Co. nahmen eine Art Teilzeit-Ska-Album auf. Mit dabei waren ein paar Raggae-Künstler, Steel Drums und ab und an ein Bläsersatz. Auf der Strecke blieben leider die Songs.

Auf das durchaus veritable Bloodclot folgt Hoover Street, ein Stück Musik, das nie richtig ein Song wird. Vieles klingt gezwungen, als ob die Band unbedingt in jeden Song ein bisschen Ska einbauen wollte. Beim Titeltrack nerven die Gastsänger in einem der einfallslosesten Refrains und langatmigen Bridges. Funktionieren tut nur weniges. 1998 zum Beispiel, mit seinen sinistren Gitarrenlinien und dem etwas steifen Bass, der aber jeden Fuß zum Wippen bringt. Oder Corazon De Oro, das ohne die Hammond-Orgel auch ziemlich gut auf …Wolves hätte passen können. Ganz furchtbar ist dann noch mal der Rausschmeißer.

Rancid (2000)

Call and response: Auf den Weichspülgang von Life Won’t Wait folgt das Album, dass nicht nur den Namen mir Rancids erster Platte gemeinsam hat. Rancid (2000) macht noch mehr Krach als das Debüt, einfach weil Rancid musikalisch besser geworden sind. Ein solches Fegefeuer konnten sie 1993 wahrscheinlich noch überhaupt nicht entfachen. Bevor man sich nach dem Einlegen der Platte gemütlich aufs Sofa setzen kann, sind die ersten drei Songs vorbei und man selbst taub, wenn man den Lautstärkeknopf noch – ganz punkrockig – weit nach rechts unten gedreht hat. Let Me Go gaukelt dann ein wenig Ruhe vor. Die Band hätte sich ansonsten wahrscheinlich selbst überholt.

Aber dann drücken sie das Gaspedal richtig durch: Die nächsten acht Songs fahren alle unter zwei Minuten über die Ziellinie. Dabei sind Klassiker wie Poison, Corruption und Antennas. Die letzte Verschnaufpause ist Radio Havana. Als ob sie sagen wollten: „Guckt mal, klar können wir super Rocksongs schreiben. Aber scheiß drauf, keinen Bock heute.“ Also beginnt das irrsinnige Axiom den Endspurt, dessen Basssolo sogar Maxwell Murder in den Schatten stellt. Der Rest tut schon fast weh, ist aber wahnsinnig gut. Matt Freeman gröhlt Black Derby Jacket, Rigged On A Fix und Reconciliation, Lars Frederiksen schreit Dead Bodies und Young Al Capone und Tim Armstrong nölt sich geschafft, aber glücklich durch das finale GGF. 22 Songs, 38 Minuten, pure Energie und kein Ausfall.

Indestructible (2004)

Vier Jahre musste man warten, bis der sechste Streich folgte. Zum dritten Mal hintereinander ein musikalischer Hakenschlag? Nein, auf Indestructible kommt endlich zusammen, was schon seit Time Bomb und Ruby Soho zusammengehört. Es verbindet sich Popcharme mit Punkrock, für den sich kein Iroträger schämen muss. Allerdings: Tim Armstrong war in der Zwischenzeit nicht untätig, verband mit den Transplants Punkrock und Hip Hop, schrieb und produzierte ein Album von und mit Pink! und trennte sich von seiner Frau.

Man kann all das auf Indestructible wieder finden: ein Gastauftritt des Transplants-Sänger, Herzschmerz in Fall Back Down, Start Now oder Tropical London und die poppige Melodie von Arrested In Shanghai.

Dass trotzdem ein homogenes Ganzes entstanden ist und keine zersplitterte Sammlung verschiedener Genres und Ideen, liegt wohl auch an der positiven, hoffnungsvollen Aufbruchsstimmung, die ständig in freundlichen Farben durchscheint.

Das vorerst letzte Kapitel und ein weiterer Schritt in Sachen neue Lässigkeit ist das neue Album Let The Dominoes Fall.

Black Math Horseman - Wyllt


Doomiger Space-Folk. Eine verhallte Frauenstimme schwebt aus den Boxen spacige Gitarren zischen vorbei, im Hintergrund poltern Drums und Bass einen langsamen Beat. Wenn das einfach so bleiben würde, wären Black Math Horseman eine ziemlich langweilige Angelegenheit. Aber Black Math Horseman nehmen sich nur etwas Zeit für ihre Songs. Heraus kommen sechs durchkomponierte Kleinode irgendwo zwischen Isis, Crippled Black Phoenix und Wüstensound.

Letzteres ist kaum ein Wunder, zeigt sich doch Scott Reeder für die Produktion von Wyllt verantwortlich. Der ehemalige Bassist von Kyuss, Unida und The Obsessed drückt der Band aber nicht zwanghaft den Stoner-Stempel auf. Ganz wie bei Isis wechseln sich laut und leise in den Songs ab, Gitarrenwände erheben sich langsam und Schicht für Schicht, fallen wieder zusammen und hinterlassen viel Raum für ein sehr differenziertes Klangbild. Black Math Horseman werden dabei nie so laut und hart wie Isis oder Neurosis. Immer scheint eine folkige Grundstimmung durch die Songs. Und sie schweifen auch nicht so weit ab wie genannte Bands. Bis auf den Abschlusstrack bleiben alle Songs deutlich unter zehn Minuten. So kommt in der relativ knackigen Spielzeit von knapp 38 Minuten keine Langeweile auf.

Die Band beherrscht das Spiel mit den Gegensätzen ziemlich gut. Die Space-Gitarren wechseln sich ab mit erdigen Overdrive-Riffs, Schlagzeug und Bass gehen nahtlos von straighten Beats zu komplizieteren Rhythmen über und der flächigen Weite einiger Strophen folgen die bereits erwähnten Gitarrenwände. Einigendes Element ist die über allem schwebende Stimme von Sera Timms, die nur im letzten Song Bird Of All Faiths And None / Bell From Madrone für einige Takte mal lauter wird. 7/10

Anspieltipps: Tyrant, Deerslayer, Bird Of All Faiths And None / Bell From Madrone

Dienstag, Juni 09, 2009

Chickenfoot - Chickenfoot


Chickenshit. Man kann nicht einfach paar leckere Dinge in einen Topf werfen, aufkochen und glauben, es käme was Schmackhaftes dabei heraus. Beispiel? Rumpsteak, Schokoladeneis und Gin Tonic. Man kann auch nicht ein paar Zutaten, von denen man nur glaubt, sie wären toll, in eine Pfanne werfen, anbraten und hoffen, es käme etwas Gescheites dabei heraus. Beispiel? Nicolas Cage, Aliens und Alex Proyas. Wie mag es dann erst aussehen bei drei Typen, von denen jeder weiß, dass sie überschätzt werden?

Diese Frage bringt uns zu Joe Satriani, Sammy Hagar und Chad Smith. Oder kurz: Chickenfoot. Kein Scherz, die heißen wirklich so. Clawfinger und The Byrds sind schließlich schon belegt. Ein vermeintlicher Gitarrengott, der ehemalige Sänger einer ehemals – und zu ihrer Zeit völlig zu Recht – erfolgreichen 80er-Hardrock-Gruppe und der überschätzte Schlagzeuger einer überschätzten Funkrock-Band haben sich also zu einer so genannten Supergroup zusammengefunden. Und als Sahnehäubchen gibt’s auch noch den ehemaligen Van-Halen-Bassisten Michael Anthony obendrauf.

Kommen wir zum Inhalt. Schon die Songtitel lassen wahlweise auf Belanglosigkeiten oder Peinlichkeiten schließen: Oh Yeah, Sexy Little Thing, My Kinda Girl oder die Trilogie aus Runnin’ Out, Get It Up und Down The Drain sprechen für sich. Nun ja, der Rock’n’Roll war schon immer einfach gestrickt.

Und dann hat man den Play-Knopf gedrückt und Satriani legt gleich mal los: Furchtbare Tapping-Fingerpicking-das-Griffbrett-rauf-und-runter-Soli reihen sind an Riffs, die Axl Rose wahrscheinlich beim Aufnehmen von Chinese Democracy verworfen hat. Dazu schreit und singt Sammy Hagar und versucht mit sich überschlagender Stimme, doch bitte ein wenig nach Robert Plant zu klingen. Leider vergeblich. So wälzt sich Avenida Revolution quälend langsam aus den Boxen. Und das war erst der Anfang einer knappen Stunde Musik, die ständig zwischen Langeweile, Fremdschämen und Brechreiz oszilliert.

Dass es immer noch weiter abwärts geht, beweist Sexy Little Thing mit eingeworfenen Kastraten-Uhs, einem Text zwischen „sticky fingers“, „wild honey“ und „tail leather“ und schlecht bei Jimmy Page geklauten Gitarren. Letzteres ist ein Motiv, das sich einfach nur noch unverschämt durch das ganze Album zieht, auch wenn Satriani mit dem Einsatz von einigen Effektgeräten einen leidlich erfolgreichen Vertuschungsversuch unternimmt.

Satriani gniedelt sich also durch die stets belangloser werdenden Songs, erfreut sich zwischendurch immer häufiger an seinen eigenen Soli, während Chad Smith im Hintergrund den immer selben Beat in den Variationen Langsam, Mittellangsam und Mittelschnell spielt und Sammy Hagar Dinge von sich gibt wie „I’m running out of sex“, „we can change the world“, „some things are better left in the closet“ oder „if I were water I'd make you real /I'd want to touch you all night long on my spinning wheel”. Der einzige Song, bei dem sich all das zu einem gefälligen Ganzen zusammenfügt, ist Down The Drain, bei dem sich die Gitarren fast schon doom-artig durch den Verstärker zwängen und die Band es schafft, trotz der langsamen Geschwindigkeit nicht in eine schmalzige Balladenroutine zu verfallen. Der Rest ist düster, ganz düster. Insbesondere Turnin' Left mit seiner ausufernden Solo-Orgie und das abschließende Future In The Past, für das Led Zeppelin diese Band ernsthaft verklagen sollten: „saving the best for last“, na klar. Hühnerkacke! 2/10

Anspieltipp: Down The Drain

Sonntag, Mai 31, 2009

Rancid - Let The Dominoes Fall


Punkrock mit Ska, Herz und Straßengeruch. Tim Armstrong trägt keinen Iro mehr. Er hat mittlerweile ein Spinnennetz auf seinem Kopf. Tätowiert selbstverständlich. Dafür trägt jetzt Rancids neuer Schlagzeuger Brenden Steineckert einen Iro. In den Videos und auf den Fotos, die rund um das neue Rancid-Album Let The Dominoes Fall zu Promozwecken durch das Internet geistern, sieht das etwas gezwungen aus. Steineckert, der vorher bei The Used in Sachen Screamo unterwegs war, will jetzt offenbar unbedingt ein Punkrocker sein.

Optisch fällt nun eher Bassist Matt Freeman aus der Reihe, der immer noch so unauffällig aussieht wie John Doe. Akustisch fiel Freeman ja schon immer aus der Reihe. Der Mann ist ganz einfach der beste Rockbassist seiner Generation. Umso schöner, dass er nicht bei irgendeiner verkopften Avantgarde-Metal-Formation spielt, sondern bei Rancid, die ihrem Namen auf Let The Dominoes Fall mehr als gerecht werden.

Auf ihre eigene Weise hat die Band, die ja auch schon seit 20 Jahren dabei ist, ihren Stil mittlerweile perfektioniert. Sie brauchen kein Ska-Album (Life Won’t Wait) mehr zu machen, keine Hardcore-Platte (Rancid 2000) mehr, und ihre letzten Ängste vor Popmusik haben sie spätestens auf Indestructible zerstört. Let The Dominoes Fall klingt stimmig, ungezwungen und homogen, trotz seines Variantenreichtums. Aber es braucht seine Zeit.

Die ersten Hördurchgänge lassen den Hörer nämlich etwas indifferent zurück. Zunächst schmeckt die Platte weder nach Fisch noch nach Fleisch. Dann pfeift sie durch die Gehörgänge, ohne Spuren zu hinterlassen und schließlich riecht sie ein wenig abgestanden.

Nach einigen Durchgängen schälen sich dann aber die Melodien aus den Songs und was man eben noch irgendwie überhört haben muss, drängt sich in den Vordergrund. Tim Armstrong lamentiert sich schludriger als je zuvor durch die Songs, flüstert, schreit, nuschelt, versucht zu singen. Freemans anbetungswürdige Bassläufe und der unauffällig, aber gut aufspielende Steineckert halten, die Songs in der Spur.

Stilistisch schöpfen Tim Armstrong und Konsorten aus dem Vollen. Brecher wie This Place wechseln sich ab mit Tanznummern (Up To No Good), Mitgröhl-Songs (Last One To Die) und Nummern, die fast schon an Heartland-Rock (New Orleans) und Country (Civilian Ways) erinnern. Herrlich, wie Armstrong in Damnation dem schnellen Rock’n’Roll-Feeling hinterher stolpert, bevor er dann den Refrain übergenau intoniert. Auch Liberty And Freedom lebt vom Gegensatz zwischen der punktgenauen Musik und den hingerotzten Texten.

Ska-typisch bricht immer mal wieder eine Orgel den Dreiklang aus Schlagzeug-Bass-Gitarre auf und verhilft Let The Dominoes Fall zu einer fast schon relaxten Atmosphäre (Up To No Good, That’s Just The Way It Is Now). Wie immer übernehmen auch Lars Frederiksen und Matt Freeman ab und zu das Mikro. Mit Frederiksen klingt alles nach Maximum Punkrock, Freeman hingegen setzt die etwas abseitigeren Akzente. Und – erwähnte ich das schon? – der Typ kann Bass spielen! 8/10

Anspieltipps: Up To No Good, Damnation, New Orleans

Donnerstag, Mai 21, 2009

Ladyfinger (ne) - Dusk


Rhythm’n’Noise. Es ist schön, dass eine Band wie Ladyfinger (ne) eine Chance bei Saddle Creek bekommt, obwohl sie so überhaupt in das grundsätzlich eher ruhige Klangschema des kleinen Labels passt. Schon das Debut Heavy Hands war eher eine Platte für Krachliebhaber. Ladyfinger (ne) haben diesen Aspekt auf ihrer zweiten Platte eher noch ausgebaut und sowohl ihre Stärken als auch einige Schwächen mitgenommen.

Damit am Ende nicht das große Aber kommt, fangen wir mit den Schwächen an. Sänger Chris Machmuller strapaziert auch Hartgesottene irgendwann mit seiner Stimme. Irgendwie vermutet man immer einen langhaarigen Kuttenträger hinter dem Mikro, der 20 Jahre lang in einer Metalband gesungen hat und nicht mehr anders kann, egal, wie sehr er sich anstrengt. Gepresst und gezwungenen trägt er seine Texte vor. „Warum so steif? Mach dich ma’ locker!“, möchte man ihm entgegen schreien.

Das andere Problem betrifft das Schlagzeug. Nicht, dass Drummer Pat Oakes einen schlechten Job machen würde. Aber auf Dauer wirkt sein Getrommel arg penetrant, so weit ist es in den Vordergrund gemischt. Auf der anderen Seite hat die starke rhythmische Betonung schon auf Heavy Hands den Sound der Band ausgemacht. Und wenn Oakes und Bassist Ethan Jones am Ende von Read The Will gerade zu stoisch am Song festhalten, während der Rest der Band schon die Mittagspause gegangen ist, wird klar, dass genau diese Tatsache eine Stärke der Band ist.

So hackt sich in den meisten Songs die Rhythmusfraktion mit einer Energie durch Strophen und Refrains, dass es eine Freude ist. Dass Gitarren und Gesang da in Sachen Energie immer einen Schritt hinterher sind, macht den Charme der Band aus. Leider schaffen die vier es nicht immer, so zwingende Lärmwände zu errichten wie in A.D.D. oder Work Party. Plans verliert sich nach der halben Spielzeit in Gewaber und Belanglosigkeit. Vielen der Songs hätte eine straffere Produktion bestimmt gut getan. Ausnahme ist das siebenminütige Abschlussstück Born In The Eighties, in dem die Band es auf den Punkt genau schafft, ihre rhythmische Unerschütterlichkeit einen energischen Noiserocker zu verwandeln, ohne, eintönig und langweilig zu klingen. 6/10

Anspieltipps: A.D.D., Read The Will, Born In The Eighties

Mittwoch, Mai 20, 2009

Propagandhi - Supporting Caste


Punk-Prog-Rock-Metal-Polit-Hardcore. Propagandhi finden seit jeher Unterschlupf im harten Kern der Punkrock-Szene, ganz in der Nähe von Bands, die sich politisch engagieren (wie Propagandhi auch), seit Jahren ihren Stil durchkloppen (wie Propagandhi auch) und eben einfach Punkrock sind (wie Propagandhi – nein…) Eben nicht wie Propagandhi.

Die Kanadier setzen sich auf Supporting Caste – wie immer – zwischen diverse Genre-Stühle und hocken mit jedem ihrer vier Buchstaben mehr oder weniger auf einer Ecke. Klar ist das hier Punkrock. Man höre nur Potemkin City Limits! Klar ist das hier Hardcore. Man höre nur This Is Your Life! Klar ist das hier Metal. Man höre nur Supporting Caste!

Was alle Propagandhi-Alben zusammenhält, ist die pedantische Präzision, mit der die Band ihre Musik einspielt. Die Songs sind allesamt mindestens zwei Nummern komplexer als der Punkrock-Standard. Übergänge, Breaks und verschiedene Songteile passen aber immer wie Arsch auf Eimer. Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, Bridge, Refrain gibt es auch auf Supporting Caste nicht. Aktives Hören lohnt sich. Immer wieder werfen Propagandhi dem Hörer eindringliche Melodiebruchstücke vor die Füße, wie in Tertium Non Datur. Nur um gleich darauf alles wieder niederzuwalzen.

Aber auch die Texte haben es wieder in sich. Chris Hannah weiß seine Worte als Waffe zu benutzen. Mit seinem Vokabular erscheint er manchmal wie der Streber-Bruder von Greg Graffin. Da George W. Busch nicht mehr im Amt ist, besinnt er sich diesmal auf persönlichere Themen und lässt die große Politik erstmal in Frieden. Without Love beispielsweise ist ein für Propagandhi-Verhältnisse geradezu anrührendes Liebeslied.

Leider fehlt einigen Songs auf Supporting Caste das gewisse Etwas, das Alleinstellungsmerkmal, der geniale Einfall, der den Song aus der Masse hervorhebt. So wabert Human(e) Meat (The Flensing Of Sandor Katz) ein wenig ziellos in der Gegend herum. Und The Banger’s Embrace lässt nach einem großartigen Anfang nach. Auf der anderen Seite stehen Stücke wie das eindringliche Dear Coach’s Corner oder der epische Abschlusstrack Last Will & Testament, bei dem sich Chris Hannah verbal so lange wie nie zuvor zurückhält. 7/10

Anspieltipps: Dear Coach’s Corner, Potemkin City Limits, Without Love

Sonntag, Mai 17, 2009

Green Day - 21st Century Breakdown


Protestoper. Fünf Jahre heben Green Day für den Nachfolger zu American Idiot gebraucht. Fünf Jahre, in denen viel passiert ist. Das offensichtlich wichtigste: W. ist nicht mehr Präsident der USA. Der Punkrock hat seinen Lieblingsfeind verloren. Worüber soll man jetzt noch Songs schreiben? NOFX zum Beispiel besinnen sich ihrer Wurzeln und machen wieder Nonsens, Propagandhi haben ihrer Inneres gefunden und singen jetzt sogar Liebeslieder. Und Green Day?

Die drei aus Oakland gehen ihren Weg ziemlich konsequent weiter. Schließlich ist seit dem 20. Januar nicht alles Friede, Freude, Pancake in den Vereinigten Staaten von Amerika. 21st Century Breakdown ist also abermals ein Konzeptalbum geworden. 3 Akte, 18 Songs, 2 Protagonisten, Politik, Religion und die Liebe handelt Billie Joe Armstrong auf 70 Minuten ab. Das ist viel Zeit, aber auch der ganz große Rundumschlag. Der rote Faden ist die Geschichte des pyromanisch veranlagten Christian, der immer auf der Suche nach Ärger ist und der idealistischen Gloria, in die Christian sich natürlich verlieben muss.

Green Day verpacken die sympathisch klischeehafte Story in anderthalb Dutzend Songs, bei denen - das muss man der Band lassen - erstaunlicherweise kein Totalausfall zu finden ist. Über 70 Minuten halten sie die Spannung hoch und präsentieren sich variantenreicher als auf American Idiot. Last Of The American Girls ist das bessere Whatsername und 21 Guns sticht Give Me Novocaine locker aus, um ein paar Songs zu vergleichen, die sich durchaus ähnlich sind. Denn Green Day bleiben Green Day. Neu und innovativ ist auch auf 21st Century Breakdown nichts. Die Einflüsse reichen vom frühen Bruce Springsteen über The Clash und Social Distortion bis zu Queen und schließlich zum späteren Springsteen.

Und im Bandkontext fühlt man sich an Warning (Viva La Gloria (Little Girl)), die Foxboro Hot Tubs (Horseshoes And Handgrenades) und natürlich American Idiot (Know Your Enemy) erinnert. Das Tempo bleibt über die ganze Platte hinweg höher als noch auf American Idiot. Es gibt nur eine lupenreine Ballade: Last Night On Earth fühlt sich mit den flirrenden Slidegitarren aber auch erfrischend anders an und nicht so stereotyp wie Boulevard Of Broken Dreams oder Wake Me Up When September Ends. Überall regiert die Abwechslung: Bei Restless Heart Syndrome übernehmen ab der Hälfte die quietschenden Gitarrenwände, 21 Guns versucht es erfolgreich mit Falsettgesang, Peacemaker dreht die Polka durch den Fleischwolf etc. pp. Es gibt also viel zu entdecken! 8/10

Anspieltipps: 21st Century Breakdown, East Jesus Nowhere, Horseshoes And Handgrenades

Sonntag, Mai 03, 2009

Trouble - Unplugged


Halbakustischer War-mal-Metal. Was für eine Mogelpackung! Unplugged steht in großen Lettern vorne auf dem Digipak. Und gerade bei Trouble scheint das ja auch eine logische Konsequenz zu sein. Wenn es eine Doom-Metal-Band gibt, deren Songs auch akustisch fantastisch funktionieren würden, dann doch die Mannen rund um Eric Wagner. Schon die letzte Studioplatte Simple Mind Condition war schließlich kein kompromissloser Metal.

Trouble übertreffen die Erwartungen sogar: Rain schwelgt geradezu im Schönklang zwischen Klavier und Akustikgitarre. Easy Listening ist angesagt. Auch Flowers und Requiem funktionieren. Ein Stück langsamer, mit getragenen Gitarren unterlegt und mit einem stimmlich vorsichtigem aber trotzdem souveränen Eric Wagner. Man wird daran erinnert, dass hinter den meisten Rocksongs eine simple Komposition steht: Melodie und Begleitung, eine Stimme und eine akustische Gitarre.

Und dann schleicht sich bei Smile die erste E-Gitarre ein. Clean, aber verstärkt. Fast ein Surfsound. Trouble bemühen sich, weiterhin traurig zu klingen, aber mit Beach-Boys-Gitarren klappt das nicht. Ab hier kippt die Platte, unplugged ist anders.

Unabhängig davon überzeugt auch die zweite Hälfte durch Abwechslung – nicht unbedingt eine Tugend des Doom Metal. Misery wird gegen Ende fast jazzig. Und danach versuchen sie überhaupt nicht mehr, sich als unplugged zu verkaufen. Was kommt, ist ein angezerrter Fast-Metal. Weder Fisch noch Fleisch, aber als Experiment durchaus spannend. Die Songs halten sich etwas zurück, ansonsten wären wir auf dem nächsten regulären Trouble-Album angelangt. (Das – ganz nebenbei – ja in der Mache ist, aber ohne Eric Wagner auskommen muss. Ersatzsänger Kory Clarke hat allerdings beileibe keine annähernd so markante Stimme.)

Alles in allem hört man, dass Unplugged zusammengewürfelt ist. Die Aufnahmen stammen aus ganz verschiedenen Epochen der Bandgeschichte. Der Übergang zwischen den fast-akustischen und den fast-elektrischen Songs ist ein wenig holprig. Aber die Songs wissen zu überzeugen, auch dank Eric Wagner. Trouble werden an dem Wegfall zu knabbern haben. 7/10

Anspieltipps: Flowers, Misery, Fly

Donnerstag, April 30, 2009

The Hold Steady - A Positive Rage


Barfruit Blues / Positive Jam. Nach vier Alben voller kleiner und großer Geschichten rund um Religion, Rock’n’Roll und Rauschmittel haben sich The Hold Steady einen Ruf als außergewöhnlich gute und gut gelaunte Liveband erspielt. Diesem Anspruch wird A Positive Rage leider nicht ganz gerecht. Vielleicht lässt sich das Bühnenerlebnis nicht so einfach auf kleine Plastikscheiben bannen.

Die Aufnahme, die The Hold Steady hier vorlegen, hat schon eine gewisse Zeit auf dem Buckel. An Helloween 2007, vor etwa anderthalb Jahren, spielte die Band im Metro in Chicago und lies den Rekorder mitlaufen. Dementsprechend fällt die Tracklist aus: Neun der 16 Songs stammen aus der Ära des dritten Albums Boys And Girls In America. Daneben gesellen sich Klassiker wie Your Little Hoodrat Friend, Barfruit Blues oder am Ende das obligatorische Killer Parties. Schön ist, das lange nicht nur Albumtracks, sondern auch die eine oder andere Rarität vertreten sind: You Gotta Dance (With Who You Came With) aus der Frühphase der Band; You Can Make Him Like You und Girls Like Status, zwei Songs, die es völlig zu Unrecht nicht aus Boys And Girls In America geschafft haben; und mit Ask Her For Adderall und Lord, I’m Discouraged zwei Songs, die erst für das 2008 erschienene Album Stay Positive geplant waren.

Für Abwechslung ist also gesorgt. Der Funke springt trotzdem nicht über. Zu wenig „live“ klingen die Songs, irgendwie heruntergespielt. Craig Finn, der ja eigentlich immer viel erzählt, hält sich zwischen den Songs meistens zurück. Vielleicht wurden seine Wortbeiträge auch einfach nur herausgeschnitten. Auf jeden Fall hört sich beispielsweise die über iTunes erhältliche Aufnahme vom Lollapalooza Festival 2006 wesentlich lebendiger an.

Wer A Positive Rage im Plattenladen kauft, erhält neben einer DVD mit einer Tourdokumentation auch noch einen Downloadcode für eine EP mit fünf B-Seiten aus der Stay Positive-Ära. Die DVD krankt nun leider gerade daran, dass viel zu viel geredet wird. „Less talk, more rock“ wäre hier besser gewesen. Die EP dagegen ist alles andere als Ausschussware. Zu dem wunderbar eingängigen und temporeichen Ask Her For Adderall gesellen sich vier Songs aus dem Midtempobereich., vollgepackt mit schönen Geschichten, Ohrwurmmelodien und zitatfähigen Textzeilen. 6/10

Anspieltipps: Stuck Between Stations, Girls Like Status, 40 Bucks (EP)

Mittwoch, April 29, 2009

Starvin Hungry - Cold Burns


Garagenkrach. Wenn sich hier zu Beginn die Gitarren durch die Garagenwand sägen, fällt kaum auf, dass da auch noch jemand singt. Oder besser „singt“. So sehr angezerrt ätzt sich der erste Song Ghost Witness aus den Boxen. Als Einstieg taugt das ja durchaus, aber auf die lange Strecke haben Starvin Hungry glücklicherweise auch noch einiges an Abwechslung zu bieten.

Das Tempo nimmt Cold Burns schon im dritten Track ein wenig raus. Der Kopfnicker-Blues von Left Hand Endeavor weiß trotzdem zu überzeugen. Im Hintergrund rackert sich der Bass ab, vorne knarzen die Gitarren und Sänger John Milchem lamentiert vor sich hin, als wäre es seine letzte Chance: „let me commit my crime“.

Meist disharmonisch und bis zum Anschlag verzerrt gehen die Songs trotzdem immer ins Ohr und in die Beine. Aber am besten sind Starvin Hungry, wenn sie ihren Sound etwas reduzieren. Eine angedeutete Melodie und klare Stimme machen zum Beispiel More zu einem der besten Songs der Platte. Wenn sie es nicht übertreiben, wird auch deutlich, wie viel Herzblut in der Musik der kanadischen Band steckt, mit welcher Wucht und Leidenschaft sie ihre Instrumente bedienen. Die Aufnahme bleibt immer ganz nah dran am Geschehen. Von der gelegentlichen und beabsichtigten Komplettübersteuerung abgesehen, brennt die Kälte sehr direkt im Gehörgang.

Wenn Future Of The Left mal eine Bluesplatte aufnehmen oder die Black Keys sich zwei zusätzliche Musiker würden, dürfte das Ergebnis ziemlich ähnlich klingen. Weitere Eckpunkte sind die Jon Spencer Blues Explosion oder auch Queens Of The Stone Age: Well Below The Bottom könnte so auch auf Era Vulgaris gelandet sein. Schön zu hören, dass Starvin Hungry sich gerade gegen Ende der kurzweiligen 37 Minuten noch einmal sehr variabel zeigen. Hier ist mehr drin als „schneller Blues“ und „mittelschneller Blues“. The Hammer ist schon fast ein Popsong, der ein paar Bier zuviel intus hat.

Und das abschließende P.B. ist ein richtiges Opus Magnum, in dem die ganze Platte noch mal in die Kanone gesteckt und durch die gegenüberliegende Garagenwand geschossen wird. Hauptsache, es geht was kaputt. 8/10

Anspieltipps: Ghost Witness, More, P.B.

Montag, April 27, 2009

NOFX - Coaster


Punkrockpunkrock. NOFX waren immer entweder lustig oder politisch oder beides. In letzter Zeit meist beides. The War On Errorism und Wolves In Wolves’ Clothing waren musikalisch vorhersehbar, zeigten die Band aber engagiert und mit Spaß an der Sache. NOFX hatten was zu sagen, wollten sich mitteilen. Umso befremdlicher ist jetzt Coaster.

12 Songs in 33 Minuten versprechen klassischen Punk Rock. Und eigentlich wird das auch geboten. Fat Mike und seine Mannen führen den Hörer trotzdem ständig in die Irre. Es beginnt mit dem Politik-Zaunpfahl We Called It America. Nach dem Auftaktsolo klingt der Song von Sekunde zu Sekunde immer mehr nach Pennywise. Wenn dann im Refrain die „Whoas“ einsetzen, runzelt man das erste Mal die Stirn. Immerhin stellte die Band einst fest: „we never like to sing whoa“. Aber damit nicht genug. Was folgt, ist von den Texten her entweder erstaunlich gleichgültig, umständlich oder macht richtig Angst.

Zählen wir auf: Die Bridge im Opener klingt befremdlich gelangweilt. Songs wie First Call, My Orphan Year oder I Am An Alcoholic sind einfach nicht mehr lustig. Mike scheint eher bei seinem Psychiater auf der Couch zu liegen. Creeping Out Sara ist eine äußerst umständlich erzählte Story. Ebenso Eddie, Bruce And Paul: Ein Song über Iron Maiden? Im Ernst!?In drei Minuten sind Eddie, Bruce, Paul, Steve und Sampson in offensichtlich äußerst komplizierte Beziehungen miteinander verwickelt. Dann setzt die Metal-Coda ein, und lässt den Hörer veriwiirrt und noch mit dem letzten Nachklang des Falsett-Gesangs im Ohr zurück. In Best God In Show regt sich Mike zwar über den lieben Gott auf, aber eigentlich ist es ihm egal. Der nächste Song bringt es dann auf den Punkt: „nothing really matters“. Und noch eine Nummer weiter: „it feels pretty great to just give in / so just give in“.

Musikalisch bleiben NOFX einfach NOFX: schneller Punk Rock, hier und da ein eingeworfenes Solo, der obligatorische Ska-Song, irgendwo noch mal eine Strophe mit Trompete. Melody Core in mittlerem bis schnellen Tempo. Nur ganz am Ende, da spielt plötzlich ein Cello, warum auch immer. Aber der Hörer irrt ja sowieso schon etwas planlos in der Gegend herum. 7/10

Anspieltipps: We Called It America, Eddie, Bruce And Paul, One Million Coasters

Donnerstag, April 23, 2009

...And You Will Know Us By The Trail Of Dead - The Century Of Self


Prog-Rock-Indie-Krach-Bombast. Es beginnt, wie andere Platten enden. Jeder drischt auf sein Instrument ein: Gitarre, Klavier, ein paar Trommeln, was elektronisches. Alles spielt durcheinander, bis sich aus der Geräuschkulisse irgendwann eine Melodie herausschält. Dann verhallt alles und nach einem kurzen Fiepen befinden wir uns im Jahr 2002.

Musik kann eine Zeitmaschine sein, durch Zufall oder Absicht. Bei Trail Of Dead ist es wahrscheinlich Absicht. Nach dem finanziellen und vermarktungstechnischen Disaster So Divided sind sie wieder bei einem Indie-Label und machen wieder Indie-Rock. Songstrukturen und Lautstärkegrenzen, sauberer Gesang und schöner Klang fallen also jetzt wieder öfter hintenüber. Stattdessen ist Platz sich auszutoben. Far Pavilions und Isis Unveiled lassen da keine Zweifel aufkommen. Ausgedehnte Mittelteile, die ins redundante abgleiten, durchzogen von scheppernden Instrumenten und Nebengeräuschen machen die ersten Hördurchgänge mehr als anstrengend. Und plötzlich (aber auch wenig überraschend) kommt dann der Song zurückgestolpert. Isis Unveiled überschlägt sich gegen Ende geradezu. Gleich zwei Stücke hintereinander überschreiten die sechs Minuten.

Hinübergerettet haben sie aber den Bombast vom Worlds Apart und So Divided. Halcyon Days ertrinkt geradezu in Instrumenten, Chören und Effekten, bevor es nach drei Minuten ausklingt und sich dann Schicht um Schicht wieder aufrichtet. Erst zur Hälfte des Albums gibt es einen richtigen Hit, mit Strophen, Refrains und allem drum und dran. Fields Of Coal sticht zu diesem Zeitpunkt heraus aus all der künstlerischen Freiheit, die Trail Of Dead sich nehmen.

Der zweiten Hälfte geht dann leider etwas die Luft aus. Das ungestüme Vorwärtsgepolter weicht dem Piano. Durch das Album geht ein klarer Bruch. Conrad Keelys Stimme tritt in den Vordergrund und spätestens bei Inland Sea fällt negativ auf, dass der Mann einfach kein guter Sänger ist. Pictures Of An Only Child versinkt in Belanglosigkeit und einer furchtbar pathetischen Strophe. Trotzdem fallen hier immer noch Songperlen wie Luna Park ab. Oder Ascending, das abermals eine kleine Zeitreise - diesmal an den Anfang des Albums - vollführt und sich anhört, als würde die Band zwei Songs auf einmal spielen. Auch der Abschluss ist mit seiner Zirkus-Rhythmik und dem krachigen Chor versöhnlich. Trail Of Dead haben ein paar Beulen und gebrochene Knochen davongetragen, schlagen sich aber immer noch tapfer. 7/10

Anspieltipps: Isis Unveiled, Fields Of Coal, Luna Park

ASG - Win Us Over


ROCK. Hier ist Vorsicht geboten. ASG haben viel falsch gemacht. Sie haben ein Album mit dem Namen The Amplification Of Self-Gratification aufgenommen. Sie haben zu Beginn ihrer Karriere ziemlich unerträglichen Alternative-Core mit Screamo-Anteil gespielt. Und auf Win Us Over wirkt die Produktion im ersten Moment einen Tick zu fett, zu klischeebeladen. Große Fresse, nichts dahinter.

Das dem nicht so ist, wird relativ schnell deutlich. Der Opener Right Death Before ist ein sperriger Brocken von einem Song, getragen von einem Flageolett-Riff. Das stampfende Schlagzeug untermauert die allgegenwärtige Gitarrenwand. Da steckt Druck hinter. Und spätestens beim nächsten Song haben sie den Hörer dann. In einem Moment möchte man noch den Kopf schütteln, weil Sänger Jason Shi unbedingt gepresst ins Mikro schreien muss. Und dann erheben sich plötzlich flirrende Gitarrenlicks und fliegen gemeinsam mit der Gesangsmelodie und dem Hörer majestätisch in die Höhe.

Der Mut zur Melodie unterscheidet ASG von den meisten Bands aus der 70er-Hardrock-Revival-Schiene. Ähnlich wie Torche mischen sie eine ordentliche Portion Pop in ihre Songs. Und das funktioniert. Grandiose Hooklines wie in Low End Inside vermischen sich mit Ohrwurmmelodien, die beim Kopfnicken einfach hängen bleiben müssen.

Und dabei legt die Band immer ein ordentliches Tempo vor und verstrickt sich nicht in überlangen Kompositionen. Hier scheint der Einfluss vonBands wie Torche hindurch. Nahezu perfektioniert haben ASG ihren Stil in The Dull Blade und dem Gallop Song. In ersterem Stück nervt nicht mal mehr das Geschrei, so zielstrebig und durchdacht rollt der Song über den Hörer hinweg. Und Gallop Song könnte glatt das Lady In Black dieses Jahrtausends sein. Kitschig, aber mit unwiderstehlichem Drang nach vorne und in den Gehörgang. 8/10

Anspieltipps: Ballad Of Richard K., Gallop Song, Palm Springs

Wino - Punctuated Equilibrium


Doomed Blues. Da macht der Mann nach Jahrzehnten als Gitarrist und Sänger von Saint Vitus, The Obsessed, Place Of Skulls, Spirit Caravan und The Hidden Hand seine erste Soloplatte und verhaspelt sich plötzlich in der Belanglosigkeit. Punctuated Equilibrium fehlt der Zusammenhang. Hier spielt keine Band ihre neuen Songs, stattdessen präsentiert Wino seine oftmals skizzenhaften Songideen aus drei oder mehr Jahrzehnten.

Einiges – insbesondere die Instrumentalstücke – ist schlichtweg belanglos. Riffs in Reihe, Licks im Loop. Anderes ist durchaus schön. Wenn Wino sich die Zeit und Ruhe nimmt, Songs auszuformulieren, kommt einiges dabei rum, etwa der relaxte Blues von Smilin' Road. Immer schweben die 70er im Raum, statt Metal bekommen wir aber eher Blues serviert. Der Mann wird ja auch nicht jünger.

Begleitet wird Wino technisch einwandfei von Jean-Paul Gaster (Clutch) am Schlagzeug und Jon Blank (Rezin) am Bass. Auch die beiden könne aber nichts daran ändern, dass Stücke wie The Woman In The Orange Pants oder Wild Blue Yonder aus den Boxen ins Ohr und auf der anderen Seite gleich wieder raus in Richtung Bedeutungslosigkeit schweben. Auf Punctuated Equilibrium ist einfach zuviel Füllmaterial. Auf Albumlänge kann das einfach nicht überzeugen. Und das ist umso trauriger, da man von Wino besseres gewohnt ist. 4/10

Anspieltipps: Release Me, Smilin’ Road, Silver Lining

Mittwoch, April 22, 2009

Future Of The Left - Last Night I Saved Her From Vampires


Noise Rock. Und zwar mit Unterhaltungswert. Natürlich muss bei einer Band wie FotL am Anfang des Konzerts erstmal der Gitarrenverstärker den Geist aufgeben. Vielleicht war es auch nur ein Kabel. Auf jeden Fall macht der Vorfall klar, wo wir uns befinden: auf einer semiprofessionellen Liveaufnahme, die aber in all ihrer Unvollkommenheit und akustischen Unzulänglichkeit doch irgendwie den Charme der vielleicht krachigsten Rockband der Welt aus Wales deutlich macht.

Die mclusky-Nachfolgeband (Spätestens, wenn im Juni das zweite Album erscheint, will ich aber in keiner FotL-Rezension mehr das Wort „mclusky“ lesen.) spielt hier also laut, aber etwas dünn auf. Die Clubaufnahme aus dem September 2008 übermittelt ein wenig das Gefühl, man steht in einem Gang und hört die Band um ein paar Ecken spielen. Bei anderen Bands, die nicht so explizit Krach machen, wäre das ein echter Minuspunkt. Aber Krach ist Krach. Und so gniedelt sich die Band um Andy Falkous herrlich schräg durch ihr Set aus 13 Songs, 6 längeren und einigen weiteren kurzen Wortbeiträgen ihres Sängers. Auf der Bühne stehen dabei immer nur drei Leute. Das heißt, die Songs haben entweder eine Gitarre oder einen Synthie als Sowas-ähnliches-wie-Melodieinstrument.

Schon auf dem ersten Album Curses! präsentierte die Band einen wunderbar reduzierten Sound. Und so hört man auch auf Last Night… jeden verzerrten Basston, jeden trockenen Schlag, jeden schiefen Akkord, jede genölte oder geschriene Silbe. Nah dran ist das zweifellos. Aber für Neulinge manchmal auch etwas weit weg von „hörbar“.

Schön ist, dass unter den Songs gleich vier neue vertreten sind. Von denen schafft es allerdings nur einer auf das kommende Album Travels With Myself And Another. Diese Zwischenplatte ist etwas für Fans. Die freuen sich über Falkous’ Humor, die neuen Songs und die Live-Atmosphäre. Alle, die die Band noch nicht kennen, sollten es lieber mit Curses! versuchen. 6/10

Anspieltipps: Wrigley Scott, adeadenemyalwayssmellsgood, Cloak The Dagger

Mastodon - Crack The Skye


Metal. Mastodon haben ihre prähistorische Phase hinter sich gelassen und sind auf direktem Wege und mit einigem Getöse ins Weltraumzeitalter vorgestoßen. Spacig klingen nicht nur die (an vielen Stellen zweistelligen) Gitarren auf Crack The Skye. Auch die an vielen Stellen in den sieben Songs zu hörenden Synthies zeugen von der raschen Weiterentwicklung der Band. Oder ist es nur eine Fortentwicklung?

Denn man mag den vier Herren durchaus zu Recht vorwerfen, sich allzu weit von ihren Wurzeln entfernen. Kaum noch Gebrüll und Geschrei (vom Titeltrack mal abgesehen) zieht sich durch die Songs. Stattdessen singen Brent Hinds und Troy Sanders über weite Teile der Platte. Im ersten Song, Oblivion, stimmt auch noch Schlagzeuger Brenn Dailor mit ein. Von der Härte der ersten drei Alben geht viel verloren, aber es kommt dafür auch einiges hinzu.

Die Experimentierfreude der Band war noch nie so groß: Surfgitarren, proggige Rhythmen und Stakkato-Soli geben sich die Klinke in die Hand. Zwischendurch fallen Melodien vom Himmel, die sich fast poppig ins Ohr bohren. Keine Angst, es fehlt keinesfalls an Lautstärke. Die Gitarrenwände türmen sich regelmäßig in Schwindel erregende Höhen und nehmen gleichzeitig ordentlich Fahrt auf.

Wie variabel Mastodon mittlerweile klingen, machen am besten die beiden überlangen Tracks deutlich. The Czar beginnt mit einem Synthie-Intro und bleibt lange Zeit geradezu zahm. Die Hintergrundorgeln lassen mehr als einmal die 70er wieder aufleben, bevor mit einem ganz klassischen Break das Ruder von einem groovigen Riffgewitter übernommen wird. The Last Baron wechselt ständig die Rhythmen, Taktarten und Musikstile, schraubt sich nach oben, spaltet den Himmel und bohrt sich dann wieder tief in die metallene Erde. Und überhaupt: Nicht nur die beiden Gitarristen liefern Abwechslung am laufenden Band. Auch die Rhythmusfraktion drückt jeden Songteil ihren Stempel auf.

Inhaltlich sind Mastodon konsequent: Nach Feuer, Wasser und Erde ist Crack The Skye folgerichtig ein Konzeptalbum über die Luft. Die Story ist ein wenig verquer, dreht sich um schwarze Löcher, Zeitreisen und bald nicht mehr existente Zaren. Die lyrische Ausformulierung des Ganzen hätte durchaus etwas abwechslungsreicher sein können. Strophen und Refrains wiederholen sich teilweise arg häufig. 8/10

Anspieltipps: Oblivion, Quintessence, The Last Baron